Wärmedämmung und Wärmespeicherung – vielen Leuten fällt es schwer, diese beiden Begriffe auseinander zuhalten und aus diesen Eigenschaften die korrekten Schlüsse zu ziehen. Diese Verwirrung wird zusätzlich von einigen prominenten Architekten geschürt, die den Eindruck erwecken, Wärmedämmung sei Unsinn und eine wärmespeichernde Gebäudehülle das Nonplusultra. Dieser Artikel soll helfen, diese Phänomene besser zu verstehen. Eine konkrete Empfehlung (Dämmen ja/nein/wie) will und kann ich hier nicht abgeben – dazu muss immer die Situation vor Ort beurteilt werden.
Wärmespeicherung
Was in diesem Zusammenhang mit dem Begriff Wärmespeicherung gemeint ist, ist die Tatsache, dass unterschiedliche Materialien mehr oder weniger Energie benötigen, um auf eine bestimmte Temperatur erwärmt zu werden. “Gute” Wärmespeicher benötigen mehr Energie, “schlechte” weniger, um die Temperatur um 1 °C zu erhöhen. Entsprechend verhält es sich mit der Abkühlung: Ein guter Wärmespeicher kühlt langsamer aus, da er mehr Energie enthält, die er abgegeben kann. In anderen Worten: Obwohl der gute Wärmespeicher langsamer auskühlt, verliert er mehr Wärme an seine Umgebung! Das leuchtet unmittelbar ein: Der schlechte Wärmespeicher hat in kurzer Zeit seine gespeicherte, kleine Wärmemenge abgegeben, ist (fast) auf Umgebungstemperatur abgekühlt und kann keine weitere Wärme verlieren. Der gute Wärmespeicher ist nur wenig abgekühlt und gibt weiterhin fleissig Wärme ab.
Unter der Lupe
Das Vermögen, Wärme zu speichern, ist nur von Interesse, wenn ein Bauteil Temperaturänderungen, z.B. unterschiedlichen Außentemperaturen bei Tag und bei Nacht, ausgesetzt ist. Was dabei passiert, möchte ich anhand zweier unterschiedlicher Wandkonstruktionen etwas genauer untersuchen.
Wand A (Altbau) besteht aus Vollziegeln und ist 50 cm dick. Sie speichert viel Wärme, leitet Wärme aber auch sehr gut.
Wand B (Baracke) ist 20 cm dick und besteht ausschließlich aus Dämmstoff. Sie speichert 60x weniger Wärme als Wand A und leitet Wärme 20x schlechter. [Anmerkung: Wand B ist ein extremes Gegenbeispiel und soll lediglich das Prinzip verdeutlichen. Ich empfehle weder A noch B als gelungenen Wandaufbau.]
Tagsüber heizt sich die Außenwand durch Sonneneinstrahlung auf, nachts kühlt sie wieder ab. Dabei kühlt Wand A langsamer ab als Wand B und kann dadurch verhindern, dass der Innenraum zu stark auskühlt. Dies funktioniert jedoch nur, wenn Wand A tagsüber ausreichend aufgeheizt wurde. Was mit “ausreichend aufgeheizt” gemeint ist, möchte ich noch näher untersuchen:
Wenn die Wand ihre gespeicherte Wärme abgegeben hat, ist der Energieverlust durch Wand A 20 mal größer als durch Wand B. Um dies auszugleichen, müsste Wand A während einer Heizperiode an 20 von 21 Tagen von der Sonne aufgeheizt werden.
Wärme “fließt” immer von wärmeren Stellen zu kälteren. Solange die Außenseite einer Wand kälter ist, als die Innenseite, “fließt” die Wärme nach draußen. Um diesen Verlust zu kompensieren, müsste die Außenseite der Wand zeitweise wärmer sein, als die Innenseite.
Aus diesen beiden Überlegungen muss man folgenden Schluss ziehen: Wenn während einer Heizperiode an 20 von 21 Tagen die Temperatur der Wandaußenseite für mehrere Stunden über der Innentemperatur liegt, ist der Wärmeverlust durch Wand A mit dem durch Wand B zu vergleichen.
Solare Gewinne?
Aber nun zurück auf den Boden der Realität. Diese Bedingung ist in Deutschland schlicht nicht zu erfüllen – und muss auch nicht erfüllt werden. Meist geht es darum, eine bestehende Wand zusätzlich zu dämmen, wobei die Dämmstärke oft geringer als in Wand B ausfällt. Wie groß der Gewinn durch die Dämmung ist hängt unter anderem vom U-Wert der Dämmung und von der einfallenden Sonnenstrahlung ab. Ohne Dämmung erzielen
Sie möglichst große solare Gewinne wenn
- die Wand nach Süden ausgerichtet ist (dass die diffuse Strahlung, die eine Nordwand im Winter trifft, einen nennenswerten Effekt hat, ist ein Gerücht)
- die Sonne möglichst hoch steht (im Süden Deutschlands strahlt die Sonne im Winter mehr als doppelt so stark wie im Norden Deutschlands)
- die Sonne möglichst oft scheint (eine höhere Lage, z.B. in den Mittelgebirgen, ist hier vorteilhaft)
- die Wand nicht beschattet wird
- die Wand mit einem dunklen Farbton gestrichen wurde.
Wenn nicht alle Bedingungen erfüllt sind, sind sie mit einer Dämmung meist besser beraten.
Würfelspiele – Die Stimmen der Gegner
Einer der vehementesten Gegner des Dämmwahns ist Konrad Fischer. Neben dem (fehlinterpretierten) Lichtenfelser Experiment argumentiert Herr Fischer auch mit einem “Würfelspiel”, nachzulesen auf http://www.konrad-fischer-info.de/7wdvs17.htm.
Dabei vergleicht er zwei Würfel aus Dämmstoff und Stahl in verschiedenen Situationen und zieht seine Schlüsse daraus. Dabei scheint der Stahlwürfel immer besser abzuschneiden. Ist dies tatsächlich so?
Konrad Fischer:
Würfel 1+2 werden im Kühlfach auf 0 Grad Celsius abgekühlt und dann
Fall a) ab in die Bratröhre und mit 250 Grad erhitzt. In den Würfeln jeweils ein Thermometer.
Frage a): Wo mißt das Thermometer zuerst +10 Grad?
Antwort (hätten Sie´s gewußt?): Im Dämmstoffwürfel.
Das ist richtig, und ein eindeutiges Plus für speichernde Materialien, wenn es um den sommerlichen Hitzeschutz geht. In diesem Fall verzögert die massive Wand das Eindringen der Wärme, da die Wärme für die Erwärmung der äußeren Wandschichten aufgebraucht wird. Diese Wärme wird nachts (teilweise) nach innen und außen wieder abgegeben.
Konrad Fischer:
Fall b) Zünden wir im Würfel ein Streichholz an. Draußen herrschen 0 Grad.Frage b1): Wo mißt das Thermometer zuerst 1 Grad?
Antwort: Im Dämmstoffwürfel.
Richtig!
Frage b2): Wo verpufft die Raumwärme dann am am schnellsten?
Antwort: Richtig, auch im Dämmstoffwürfel. Was sonst?
Diese Frage ist etwas ungenau. Ich nehme an, mit “Raumwärme” ist die Temperatur im Zentrum des Würfels gemeint und “schnell verpuffen” ist ein Synonym für “abkühlen”. Die Frage lautet dann “Wo kühlt die Temperatur im Zentrum am schnellsten ab?”. Die Antwort “im Dämmstoffwürfel” ist richtig. Aber: Was mich eigentlich interessiert, ist die Frage, wieviel Energie dabei verloren geht. Da der Dämmstoffwürfel praktisch keine Wärmeenergie gespeichert hat, kühlt er – trotz geringerer Wärmeleitung – schneller aus. Im Gegensatz der Stahlwürfel: Vollgepumpt mit Wärmeenergie strahlt er große Mengen Wärme ab. Und Dank seines riesigen Reservoirs hält er das lange durch. Fazit: Mit einem Stahlwürfel kann man keine Energie sparen!
Gefühlte Temperaturen
Konrad Fischer:
Fall g) Wir erhitzen beide Würfel auf +20 Grad und fassen sie an. Welcher Würfel erscheint uns kälter? Und nun verschärft:Fall h) Wir erhitzen auf 50 Grad. Welcher Würfel erscheint uns nun kälter?
Die gefühlte Temperatur ist wichtig für die Behaglichkeit. Wenn wir einen Gegenstand berühren, der kälter als unsere Hand (ca. 31°C) ist, fließt Wärme von unserer Hand auf den Gegenstand. Wieviel Wärme unserer Hand entzogen wird, hängt von der Größe und der Wärmeleitfähigkeit des Gegenstands ab. Ein guter Wärmeleiter (z.B. Metall) entzieht der Hand mehr Wärme und fühlt sich entsprechend kälter an, als ein schlechter Wärmeleiter (z.B. Holz).
Ist die Temperatur des Gegenstands höher als die unserer Hand, fließt die Wärme in die anderer Richtung, also auf unsere Hand. Bei einem guten Wärmeleiter fließt mehr Wärme auf unsere Hand, und der Gegenstand fühlt sich heißer an. Beispiel: Holz und Metall in der Sauna.
Dieser Effekt ist nützlich, wenn man einen fußkalten Boden behaglicher machen möchte. Es muss nicht immer gleich eine Fußbodenheizung sein. Ein Bodenbelag aus Holz oder Kork fühlt sich bereits wesentlich wärmer an, als Keramik und Fliesen. Der Wärmeverlust, hier durch den Fußboden, wird dabei aber nur marginal beeinflusst. Für eine spürbare Wärmedämmung sind dickere Schichten notwendig.
Damit möchte ich mich einer anderen “gefühlten” Temperatur zuwenden: Der gefühlten Raumtemperatur. Diese liegt irgendwo zwischen der Lufttemperatur und der mittleren Temperatur der Umfassungsflächen, also Wände, Fenster, Boden und Decke. Ursache ist der Austausch von Wärmestrahlung zwischen Mensch und Wand. Im Folgenden beschränke ich mich auf die Wände, obwohl das gleiche auch für Decke und Fußboden gilt. Die Wände liefern allerdings den größten Beitrag bei einem stehenden Menschen.
Die von der Wand abgestrahlte Wärme wird von unserer Haut aufgenommen (absorbiert), genauso wird die von unserer Haut abgegebene Strahlung von den Wänden absorbiert, was die Wand in der Regel aber nicht beeindruckt. Wenn die Temperatur der Wand niedriger ist, als die unserer Haut, dann verlieren wir durch unsere Wärmestrahlung mehr Wärme, als wir durch die Strahlung der Wand aufnehmen können. Um den Wärmeverlust auszugleichen, benötigen wir eine entsprechend hohe Lufttemperatur.
Dies bedeutet:
Je niedriger die Wandtemperatur, umso höher muss die Lufttemperatur sein.
Logisch, oder?
Wird ein Raum mit einer Wandheizung beheizt, darf die Lufttemperatur deutlich niedriger sein, um eine behagliche “gefühlte Temperatur” zu erzeugen. Dadurch bleiben übrigens auch die “Lüftungsverluste” kleiner, da die nach außen abgeführte Raumluft weniger Wärme enthält.
Eine niedrige Wandtemperatur, z.B. bei nicht gedämmten, massiven Wänden, erfordert eine entsprechend höhere Raumtemperatur, um ein behagliches Raumklima zu schaffen. Neben dem direkten Wärmeverlust durch die ungedämmte Wand verursacht dies auch höhere Lüftungsverluste.
Fazit
Dämmung um jeden Preis? Sicherlich nicht. Wenn sie abschätzen möchten, was ihnen eine (nachträgliche) Wärmedämmung bringt, dann hilft Ihnen diese einfache Berechnungsanleitung sicher weiter. Denn trotz aller Gegenargumente: Die Dämmung einer massiven Außenwand bringt Ihnen fast immer finanzielle und raumklimatische Vorteile.